"Die unendliche Geschichte war mein persönliches Hogwarts"

Seine Stories offenbaren sich zwischen zwei Buchdeckeln, aber wie sind sie da hingekommen? Im Interview erzählt Journalist und Autor Martin Gehr, wie seine Liebe zu Geschichten entstand und was er tut, wenn er mal keine Buchstaben zu Sätzen formt. Er verrät, wie die Abenteuer seiner Satirereihe über Kommunikation weitergehen und ob er sich vorstellen kann, seine Geschichten auch in 3D zum Leben zu erwecken ...

Als Journalist erzählen Sie Geschichten meist in Form von Artikeln; als Autor bilden Bücher die Grundlage für Ihre Erzählungen. Sie spielen bei den Texten gern mit Darstellungsformen und mit der originellen Art, zu kommunizieren. War das schon immer so oder wie haben Sie sich das angeeignet?

Martin Gehr: „Also, Geschichten haben mich schon immer interessiert. Aber auch diejenigen, die sie erzählen. Das Vorlesen in der Kindheit hat mich geprägt, zum Beispiel durch die Hörspielreihe „Erzähl mir was“ aus dem Marshall Verlag, die in den achtziger Jahren sehr beliebt war. Darin haben bekannte Sprecher wie Hans Paetsch, Maria Schell und Thomas Fritsch Geschichten wirklich zum Leben erweckt.

Es gab aber auch den Klassiker „Pony, Bär und Apfelbaum“ von Sigrid Heuck, der heute noch gelesen wird und quasi den Stil der Emojis vorweggenommen hat. Mein Vorbild wurde dann unbewusst die Maus „Frederick“, die in der berühmten Bildergeschichte von Leo Lionni keine Vorräte für den Winter, sondern Licht, Farben und Wörter sammelt, um die dunkle Jahreszeit mit Wärme zu erfüllen. Ist doch eine schöne Vorstellung.“

Und das war dann Ihr Erweckungserlebnis?

„Nein, die Dinge ins Rollen gebracht hat ein anderer Klassiker: „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Die hat mir damals endgültig gezeigt, was Geschichten vermögen. Das war mein persönliches Hogwarts und da wird auch nichts mehr drübergehen.“

Aber Geschichten zu lesen und Geschichten zu schreiben, sind ja zwei verschiedene Dinge. Wie haben Sie dann den Weg auf die andere Seite gefunden und sich das Wissen und das Handwerk zugelegt?

„Dass ich Geschichtenerzähler werden wollte, war mir schon früh klar. Aber ob ich das als Journalist, als Schriftsteller oder vielleicht auch als Schauspieler tun wollte, wusste ich noch nicht. Nach dem Abitur habe ich mich dann für den Journalismus entschieden und die Medienbranche kennengelernt. Ich habe in einer PR-Agentur gearbeitet, beim Radio, bei der Zeitung und in einer Online-Redaktion. Ab 2003 habe ich dann an der Uni Dortmund Journalistik und Germanistik studiert und später auch für das Institut für Journalistik gearbeitet.“

Für alle Berufe gilt, dass man auch mal einen Tapetenwechsel braucht. Das Alphabet besteht zwar nur aus 26 Buchstaben, aber zwischendurch muss man ja auch mal etwas anderes sehen. Womit verbringen Sie Ihre Zeit, wenn Sie nicht schreiben?

„Mich interessieren viele Dinge, die mit Kultur zu tun haben: Theater, Kabarett, Museen. Ich bin ein Fan von Musicals und seit über 25 Jahren von Film und Kino; das ist wirklich eine Leidenschaft. Außerdem mag ich die Natur sehr gern, besonders in der Alpenregion, und schaue mir gern Burgen und Schlösser an. Dabei muss ich auch gar nicht die ganze Historie erfassen, da reizen mich schon die Atmosphäre, die Architektur und das Erlebnis. Und natürlich auch die Geschichten, die sich hinter den Mauern abgespielt haben. Oder auf ihnen. Je nachdem.“

Abenteuer scheinen Sie also zu mögen. Wie gehen denn Ihre Abenteuer in der Welt der Kommunikation weiter?

„Das Satirebuch wird einen zweiten Teil bekommen. Der ist in Arbeit und wird im Herbst oder in der Vorweihnachtszeit erscheinen. Darin werden wir alten Bekannten aus dem ersten Teil begegnen, aber auch neue Kommunikationsfelder beackern, zum Beispiel die Geheimnisse der Wissenschaft. Dafür habe ich auch schon ein super Motto: Wer im Dunkeln leuchten will, sollte ein helles Köpfchen sein. Wie ist das?“

Darüber sollten Sie nochmal nachdenken. Und sonst so?

„Wenn es die Corona-Situation wieder zulässt, möchte ich Lesungen machen, später gern als abendfüllendes Programm, zum Beispiel in Bibliotheken oder kleinen Theatern. Zusätzlich kann ich mir auch Streaming vorstellen, schließlich befasst sich das Buch mit Kommunikation, also sollte man selbst diese Kanäle ausprobieren. Besonders Spaß machen würde mir, die besten Geschichten aus dem Buch als Hörbuch einzusprechen. Das würde manchen Episoden noch mehr Leben und Stimmung verleihen, vor allem bei den Spiel- und Dialogszenen, die ja auch vorkommen.“

Womit wir wieder am Anfang wären, als Sie über Ihre frühe Liebe zu Hörspielen gesprochen haben.

„Das stimmt. So schließt sich der Kreis.“

27. Januar 2022